Dinosaurierspuren im Obernkirchener Sandstein (Niedersachsen)

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In einigen Schichten des Obernkirchener Sandsteins findet man zahlreiche Fußspuren unterschiedlichster Dinosaurier. Vor ungefähr 140 Ma lebten hier sowohl Raubdinosaurier als auch Pflanzenfresser. Teile der spurenführenden Schichten sind in der Nähe des Ortes Obernkirchen öffentlich zugänglich und geben Einblicke in das Leben dieser Tiere.

Dinosaurier waren im Erdmittelalter extrem erfolgreiche Landwirbeltiere und vermutlich hat jeder schon einmal von den unzähligen, spektakulären Dinosaurierfossilien Asiens oder Südamerikas gehört. Doch auch in Europa findet man viele Fossilien dieser Tiere. Ein solcher Fundort liegt im Bückeberg von Niedersachsen. Dort haben die Dinosaurier im wahrsten Sinne des Wortes ihre Spuren hinterlassen…

Zeiten ändern sich

In der frühen Kreidezeit sah die Welt noch ganz anders aus: weite Teile Europas standen unter Wasser und somit glich es eher einem Inselarchipel. Das Alter der Obernkirchener Dinosaurierspuren ist relativ gut bekannt, denn die Sedimentgesteine, in welchen sie erhalten sind, bergen auch den fossilen Muschelkrebs Cypridea alta formosa. Durch das Vorhandensein dieses Krebstieres konnten die Spuren zeitlich eingeordnet werden – sie sind ungefähr 140 Ma alt.

Abb. 1: Paläogeografie des Norddeutschen Raumes während der frühen Kreide. (Meschede & Warr 2019)

Die Tiere lebten in einer Landschaft von küstennahen Sümpfen, Lagunen und Flussdeltas. Außerdem gab es eine Landbarriere zum Niedersächsischen Becken hin, welches damals noch ein riesiger Binnensee war, der sich aus den heutigen Niederlanden bis nach Braunschweig erstreckte und im Süden von einem Hochgebiet, dem Rheinischen Massiv, begrenzt wurde (Abb. 1) . Aus dem Rheinischen Massiv wurden Verwitterungsprodukte nach Norden geschüttet. Diese bilden die Grundlage für die Ablagerung des Obernkirchener Sandsteins.

Alte Spuren im Steinbruch

Die Dinosaurierspuren des Obernkirchener Sandsteins (eine dünne Lage innerhalb der Bückeberg-Formation) treten an verschiedenen Lokalitäten Niedersachsens zu Tage, von denen einige heute durch Bebauung, Aufforstung und Abbau nicht mehr zugänglich sind. Die Sandsteinlagen öffnen ein Fenster in eine längst vergangene Zeit, als vierbeinige, stark gepanzerte Ankylosaurier und langhalsige Sauropoden zweibeinigen Pflanzenfressern und Raubdinosauriern begegneten. Dreidimensional dokumentiert wurden die Fährtenflächen eines Steinbruches in dem Waldgebiet östlich von Obernkirchen. Dort sind zwei- und dreizehige Fußspuren von kleinen und großen Dinosauriern aufgeschlossen. Der Obernkirchener Sandstein ist hier ungefähr 8 Meter mächtig. Spurenführende Schichten sind dabei eher selten und dünn. Darüber hinaus sind die Schichten nicht überall kontinuierlich verfolgbar. Das liegt z.B. an geologisch entstandenen Verwerfungen, aber auch am noch immer betriebenen, konventionellen Abbau des Sandsteines, durch den mindestens sechs spurenführende Lagen aufgeschlossen sind.

Der sogenannte “Hühnerhof“ liegt am tiefsten und enthält hunderte von Fußspuren fleisch- und pflanzenfressender Dinosaurier verschiedener Größen und Formen. Die Fußspuren, welche lediglich zwei Zehen zeigen, stammen vermutlich von Troodontiden. Das waren meist recht kleine, gefiederte Raubdinosaurier, die ihre zweite Zehe beim Laufen über dem Boden hielten. Der bekannte Velociraptor war recht nah mit ihnen verwandt. Vereinzelt sind die Fußabdrücke sogar noch über einige Meter nachzuverfolgen und bilden somit Fährten. Der Hühnerhof befindet sich inmitten eines aktiven Steinbruchs und ist daher nicht öffentlich zugänglich. Umso wichtiger ist es, dass an dieser Stelle ein 3D-Modell dieser einzigartigen Fläche mit Dinosaurierspuren erstellt wurde.

Etwas darüber kommen an manchen Stellen des Steinbruches auch immer wieder große, dreizehige Ornithopoden-Spuren zum Vorschein. Ornithopoden ernährten sich von Pflanzen und einige von ihnen konnten weit über 10 Meter lang werden. Einer der bekanntesten Vertreter aus Europa ist Iguanodon, welcher oft als möglicher Erzeuger vieler Spuren im Obernkirchener Sandstein genannt wird. Zu manchen großen Fußabdrücken gehören auch kleinere, unregelmäßige Abdrücke, die wohl von den Vorderextremitäten hinterlassen wurden. Diese Handabdrücke deuten darauf hin, dass sich die ausgewachsenen Ornithopoden quadruped, also auf allen Vieren fortbewegt haben. Dieser Teil des Steinbruchs ist für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden und über einen Weg um den Steinbruch herum oder von der anderen Seite des Bückebergs aus zu Fuß erreichbar (ca. 2-3 km Wanderung).

Dinosaurier sind nicht tot

Dinosaurier existieren seit ungefähr 245 Ma und gehören wie die ausgestorbenen Flugsaurier, aber auch die heutigen Krokodile und Vögel, zu den Archosauriern. Spätestens ab dem frühen Jura, vor etwa 200 Ma, waren sie in Ökosystemen an Land dominant. Sie wurden zu Ikonen der Erdgeschichte, denn sie brachten im Laufe ihrer Evolution eine überwältigende Formenvielfalt hervor und es befanden sich unter ihnen auch die größten Tiere, die jemals auf dem Land gelebt haben. Was lange Zeit übersehen wurde ist, dass die Dinosaurier nie wirklich ausgestorben sind, denn die Vögel, die biologisch betrachtet Dinosaurier sind, überlebten das Massensterben vor etwa 66 Ma und sie stellen mit mindestens 10.000 rezenten Arten die mit Abstand artenreichste Gruppe unter den Landwirbeltieren. Säugetiere stellen heute ungefähr 6.400 Arten – man könnte also sagen, dass wir noch immer im Zeitalter der Dinosaurier leben.

Was uns Spuren verraten können

Für gewöhnlich arbeiten Paläontologen mit Knochen oder anderen Hartteilen ausgestorbener Lebewesen. Ein Spurenfossil, in der Fachsprache als Ichnofossil bezeichnet, ist da schon etwas grundlegend anderes, denn während ein Tier nur einmal sterben kann und so Teile seines Körpers möglicherweise als Fossil überliefert werden, kann es im Laufe seines Lebens unzählige Fuß-, Ruhe-, Bau- oder Fressspuren produzieren. Das bedeutet, Spuren sind in aller Regel ein Zeichen für ein lebendiges Wesen; die Tiere haben in genau diesem Moment gelebt, als sie diese erdgeschichtlichen Zeugnisse im Sand oder Schlamm hinterließen. Das erfordert eine andere Herangehensweise an die Untersuchung dieser Ichnofossilien. Beispielsweise waren die Füße vieler Raubdinosaurier anatomisch sehr ähnlich und verschiedene Tiere konnten somit Fußspuren hinterlassen, die einander beinahe gleichen. Gleichzeitig kann ein und dasselbe Tier durch eine variierende Belastung der Füße oder durch eine veränderte Spreizung der Zehen sehr unterschiedliche Abdrücke hinterlassen, und nicht zuletzt spielt auch der Untergrund dabei eine wichtige Rolle. Diese Umstände erschweren uns heute eine genaue Zuordnung und erlauben oft nur die Bestimmung einer Großgruppe als mögliche Erzeuger einer bestimmten Spur. Da wir den Bauplan vieler Dinosaurier kennen, können wir anhand ihrer Spuren allerdings so einige Informationen ableiten: z.B. wie schnell ein bestimmtes Tier unterwegs war, ob es dabei rannte oder ruhig ging, ob es Anomalien aufwies, welche seinen Bewegungsablauf beeinträchtigten und sogar, wie groß es war.

Die Tiere, die genau hier vor 140 Ma entlangliefen, waren auf der Suche nach Nahrung oder Artgenossen; einige könnten vor irgendetwas geflohen sein. Sie atmeten, fraßen und konnten krank werden. Die Spuren im Obernkirchener Sandstein geben uns Einblicke in einen Moment ihres Lebens. Ihre Evolutionsgeschichte reicht bis in unsere Gegenwart und ist oft ohne unser Wissen ein Teil unseres Alltags.

Obernkirchener Sandstein als Naturwerkstein berühmt

Auswahl an Gebäuden, in denen der Obernkirchener Sandstein verbaut wurde. (vgl. Obernkirchener Sandstein AG Broschüre von 1913 und https://www.obernkirchener-sandstein.de/de/referenzen)

Der Obernkirchner Sandstein wird zu 95% aus feinkörnigen, gleichmäßigen und daher dicht gepackten Quarzkörnern aufgebaut, die vorwiegend kieselig zementiert sind. Der Textur nach ist das Gestein so dick-bankig, dass große Werkstücke in Blöcken hergestellt werden können. Vorteilhaft ist die fehlende Schichtung innerhalb der Bänke. Der Sandstein ist einerseits hart und widerstandsfähig, andererseits aber auch für Steinmetze leicht zu bearbeiten, welches ihn zu einem sehr beliebten Naturbaustein macht, der seit dem 11. Jh. abgebaut wird. Viele Schlösser, Kirchen, Rats- und Patrizierhäuser in norddeutschen und holländischen Städten wurden aus Oberkirchner Sandstein errichtet, vor allem zur Zeit der Weserrenaissance. Über die Weser wurde der Sandstein nach Bremen transportiert, wo er zum Produkt der Hanse wurde und als „Bremer Stein“ durch die Bremer Kaufleute nach ganz Europa und in die USA exportiert wurde. Die Hansestadt, in der sich aufgrund des Obernkirchner Sandsteins eine blühende Steinhauerzunft im Mittelalter entwickelte, besaß für den Sandstein das Stapelrecht und somit ein Fernhandelsmonopol. Nur die Bremer Steinhauer durften den roh aus Obernkirchen angeleiferten Stein verarbeiten. Auch heute noch ist der Naturwerk- und Baustein sehr beliebt und wird von der Wesling Obernkirchner Sandstein GmbH & Co. KG abgebaut, in Produktionsstätten in Obernkirchen bearbeitet und vermarktet.

Impressionen
3D-Modelle

Ein hochaufgelöstes Modell folgt zu einem späteren Zeitpunkt auf v3geo.com.

Schriftenverzeichnis

Hornung, J. J., Böhme, A., van der Lubbe, T., Reich, M., & Richter, A. (2012): Vertebrate tracksites in the Obernkirchen Sandstone (late Berriasian, Early Cretaceous) of northwest Germany—their stratigraphical, palaeogeographical, palaeoecological, and historical context. Paläontologische Zeitschrift, 86(3), 231-267.

Maik Raddatz-Antusch, M. (2019): Die Sandsteine des Bückebergs bei Obernkirchen. Naturhistorica, 161.

Meschede, M., & Warr, L. N. (2019). The geology of Germany: a process-oriented approach. Springer.

Nesbitt, S. J., Desojo, J. B., & Irmis, R. B. (2013). Anatomy, phylogeny and palaeobiology of early archosaurs and their kin. Geological Society, London, Special Publications, 379(1), 1-7.

 —In freundlicher Zusammenarbeit mit der Wesling Obernkirchener Sandstein GmbH und Co. KG. —

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