TL;DR (too long; didn’t read)
Unterhalb der Stadt Freiberg in Sachsen befindet sich ein großes Stollen-System aus dem 18. Jahrhundert. Bei Bauarbeiten am Untermarkt kam 2018 der sog. Familienschacht zu Tage, der zum Abbau von Silber genutzt wurde. Durch den Besuch von Alexander von Humboldt wird der Familienschacht auch als Humboldt-Schacht bezeichnet. Aus Sicherheitsgründen ist das Bergwerk nicht begehbar. Um es dennoch erlebbar zu machen, wurde ein 3D-Modell erstellt.
Bergbau in Freiberg
Das Freiberger Bergrevier liegt im nordöstlichen Teil des Erzgebirges, das geologisch weiter bis Tschechien reicht und dort Krušné hory genannt wird. Im Freiberger Bergrevier wurden, wie auch in anderen Teilen des Osterzgebirges, magmatisch-hydrothermale Erze abgebaut. Diese liegen als Skarn, Greisen und epithermale Ganglagerstätten unter einem Gebiet von rund 30×30 km (Swinkels et al., 2021). Epithermale Lagerstätten sind wichtige Quellen für Gold (13% der weltweiten Produktion) und Silber (∼17% der weltweit bekannten Ressourcen) (Swinkels et al., 2021).
Geologisch gesehen befindet sich der Hauptteil des Freiberger Bergreviers in Biotit-Plagioklas-Orthogneis und Biotit-Muskovit-Paragneis, die als ovale, domähnliche Struktur vorliegen und von Glimmern, Phyllit, Serpentinit-Gabbro-Amphibolit und Gneisen umgeben sind (Swinkels et al., 2021). Der Osten des Gebietes ist von Spätvariszischem Niederbobritzsch-Biotit-Granit und dem rund ∼320 Ma alten Tharandter Wald Vulkankomplex dominiert (Swinkels et al., 2021). Auf Basis geochronologischer Daten erfolgte die epithermale Mineralisation vor 276 ± 16 Ma (Ostendorf et al., 2019).
Aktiver Bergbau wurde vom letzten Drittel des 12. Jahrhunderts bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts betrieben (Wagenbreth & Wächtler, 2015). Die wichtigsten Erze waren Bleiglanz, Zinkblende, Schwefelkies, Arsenkies, Silberfahlerz (Freibergit), Rotgültigerze und Silberglanz (Swinkels et al., 2021). Andere mineralische Rohstoffe, die bergmännisch abgebaut wurden, waren Quarz, Kalkspat, Schwerspat und Flussspat (Wagenbreth & Wächtler, 2015).
Die Gangerzformationen treten in bestimmten Kombinationen auf, die zeitlich eingeordnet werden können (nach Wagenbreth & Wächtler, 2015): Kiesig-blendige Bleierzformation (kb: Arsenkies, Schwefelkies, Zinkblende, silberhaltiger Bleiglanz, Quarz), Edle Braunspatformation (eb: Silberhaltiger Bleiglanz, sinberhaltige Zinkblende, Silberfahlerz, Rotgültigerzen, Silberglanz und gediegenes Silber und Karbonspäte), Eisen-Baryt-Abfolge (eba: Roteisenerz, Schwerspat, Quarz), Fluorbarytische Bleierzformation (fba: Bleiglanz, Schwefelkies, Quarz, Schwerspat, Flußspat) und die Wismut-Kobalt-Nickel-Silber-Formation (BiCoNiAg, „Edle Geschicke„: Co-Ni-Arsenide, Silberminerale, Quarz, Schwerspat, Karbonspäte). Kb und eb stammen aus der Variszischen Orogenese (Oberkarbon-Perm), die eba und fba und BiCoNiAg sind postvariszisch aus Trias bis Kreide, eventuell noch Paläogen / Neogen (Wagenbreth & Wächtler, 2015).
Das Zentrum des Bergbaus befand sich in Freiberg, was diesem Revier den Namen „Zentralrevier“ gab. Neben diesem Zentralrevier mit den Grubenbezirken Himmelfahrt, Muldenhütten und Junge Hohe Birke bestanden die Grubenbezirke Kurprinz und Beihilfe (Revier Halsbrücke), Beschert Glück, Einigkeit, Vereinigt Feld und Himmelsfürst (Revier Brand-Erbisdorf). Letztere war die Ergiebigste aller (Wagenbreth & Wächtler, 2015).
Erste Funde von Silber wurden auf einer Flur bei Christiansdorf (heute Freiberg) im 12. Jhd. gemacht. Seit 1168 bis 1900 wurde Bergbau, vornehmlich zur Gewinnung von Silber, betrieben (Swinkels et al., 2021). Bis 1874 wurden 50.000 t Silber in 344 Minen gefördert (Wagenbreth & Wächtler, 2015). Nach einer Unterbrechung wurden ab 1933 bis 1969 wieder Erze zur Gewinnung von Blei, Zink, Kupfer und Zinn (Swinkels et al., 2021).
Die Erze, die aus flacheren, oxidierten Bereichen gewonnen wurden, enthalten gediegenes Silber (Swinkels et al., 2021). In tieferen Bereichen kommt dieses seltener vor. Dort, im zentralen Bereich, ist Silber eher als Mineral in Bleiglanz (Galenit) enthalten oder randlich als Silber-Sulfide oder Sulfosalze (Wagenbreth & Wächtler, 2015; Swinkels et al., 2021). Oftmals ist auch ein Anteil an Gold vergesellschaftet, der allerdings historisch eher weniger Beachtung fand. Die geowissenschaftlichen Sammlungen der TU Bergakademie Freiberg zeigen ein breites Spektrum der gewonnenen Erze.
Die Geschichte des Familienschachtes
Der Familienschacht ist einer der wenigen Schächte, welche einst innerhalb der Stadtmauern Freibergs abgeteuft wurden. Dieser recht unscheinbare Schacht, die Förderung mit Handhaspel wird vermutet, gehörte zur Grube „Neubeschert Glück in der Stadt“, welche ebenfalls recht unbekannt ist (Wagenbreth, 1960). Ihr Name ist weder über Bezeichnungen von Schachtanlagen, Huthäusern oder Stollenmundlöchern aus ihrer Blütezeit im 18. Jahrhundert erhalten geblieben. Ihre knapp einhundertjährige Geschichte ging 1799 mit der Einstellung des untertägigen Abbaus schnell zu Ende.
Bemerkenswert ist, das gerade zu der Zeit als Alexander von Humboldt in Freiberg studierte (14.6.1791 bis 26.2.1792), also zehn Jahre vor Ende des Abbaus, dieser noch in voller Blüte stand. Das Kunstgezeug auf dem Wiesenschacht, der einer der Hauptförderschächte der Grube war, konnte durch eine geschickte Argumentation, des seit 1781 der Grube vorstehenden Schichtmeisters Carl Gottlob Friedrich Goldberg, gegenüber der Bergbehörde finanziert und auf den neusten technischen Stand gebracht werden. Wohl aus diesem Grund wurde Humboldt von seinem Betreuer, dem Bergakademie-Inspektor Gottlob Abraham Werner, wenige Tage nach seiner Ankunft in Freiberg, zuerst zu dieser modernen Grube in unmittelbarer Nähe der Stadt geschickt (Wagenbreth, 1960).
Überliefert ist der Befahrungsbericht des Alexander von Humboldt vom 5. Juli 1791. Die Fahrt-Beschreibung beginnt in der Grube „Neubeschert Glück in der Stadt“ am Wiesenschacht und verläuft über verschiedene Sohlenwechsel zwischen den Niveaus Eselstolln und Tiefer Fürsten-Stolln hin zum Familienschacht, wo Humboldt seine Exkursion beendete (Wagenbreth, 1960). Ob es gewollt oder ob es Zufall war, dass Humboldt über den Familienschacht ausfuhr und sich so in Sichtweite auf dem Aschmarkt vor dem Freierslebischen Haus befand, in welchem sein Mentor und Freund Johann Carl Freiersleben wohnte, bleibt offen. Eine Überraschung muss es auf jeden Fall für ihn gewesen sein.
Ebenso überraschend war das Antreffen des Schachtkopf des Familienschachtes während der Sanierung und Neugestaltung des Untermarktes im Juli 2018. Dieser Zeitpunkt hätte kaum besser sein können – 2019 war das 250. Jubiläumsjahr der Geburt Humboldts. Durch die Verknüpfung zu dieser bekannten Persönlichkeit wird der Schacht heute auch gern als Humboldtschacht bezeichnet.
Der Familienschacht ist aus Sicherheitsgründen nicht öffentlich begehbar und wurde daher von der TU Bergakademie Freiberg und der Saxonia-Freiberg-Stiftung in Form eines 3D-Modells digitalisiert und filmisch dokumentiert. Die Erfassung der Daten für dieses 3D-Modell erfolgte mit einem Handlaserscanner (s.u.). Neben einem besonders gestalteten Schachtdeckel auf dem Schachtkopf befindet sich eine Stele ebendort sowie Bildschirme in einem Schaufenster für die Präsentation von Videomaterial aus dem Schacht- und Stollensystem.
Methodik – Einsatz des Handlaserscanners
Der ZEB-REVO ist eine handgeführte Messeinheit, bestehend aus einem rotierenden Laserscanner und einer inertialen Messeinheit (IMU). Das System ist so konzipiert, dass es vom Messenden händisch durch den Raum geführt wird. Der Laserkopf rotiert mit einer Geschwindigkeit von 0,5 Hz, so dass in Kombination mit der Bewegung der messenden Person das System ständig seine Raumlage ändert. Bei einer maximalen Reichweite von 30 m eignet sich der ZEB-REVO für die Aufnahme von Innenräumen. Die Lasereinheit ist in der Lage, 43.200 Punkte je Sekunde zu erfassen. Sein Sichtfeld beträgt 360° x 270°. Wird der Handscanner aufrecht gehalten, beträgt die Auflösung vertikal 1,8° und horizontal 0,625°. Die Laserklasse 1 ermöglicht ein augensicheres Arbeiten. Verzichtet man auf die Ausbaustufe RT (Real Time), ist der ZEB-REVO in der Schutzklasse IP64 zertifiziert. Der ZEB-REVO wiegt 1 kg und ist über ein Kabel mit der Registrier- und Batterieeinheit verbunden, die bequem geschultert werden kann (Abb. 1). Unter www.geoslam.com (2021) werden die technischen Parameter gelistet.
Die Verarbeitung der, durch den Scanvorgang erzeugten, immensen Mengen an Rohdaten und die Bedienung der nötigen Software erfordern gute Hardware und entsprechendes Know-How (weiterführende Informationen siehe (Hößelbarth et al., 2018; Martienßen & Wandinger, 2019). Die Neuerung im Anwendungsfall des Familienschachtes ist der Einsatz eines solchen Scanners in einem tonnenlägigen Schacht in selbständiger Fahrt. Dazu wurde das Messsystem mit Hilfe einer Hilfskonstruktion am Kübel der Materialseilfahrt angebracht (Abb. 2). Der Messvorgang erfolgte in langsamer Fahrt durch den Schacht über eine Teufe von ca. 35 m und dauerte im Auf- und Ablassen des Kübels ca. 8 Minuten.
Ziel des Einsatzes des ZEB-REVO im Familienschacht war es, diesen einerseits unter Praxisbedingungen zu testen und andererseits ihn für die Ermittlung des klassischen markscheiderischen Aufmaßes einzusetzen. Damit sollte erreicht werden, dass die Kleinaufnahme vor Ort entfällt und die Tätigkeit der Stoßkantenerfassung aus den Punktwolken im Innendienst vorgenommen wird (siehe auch Videobeitrag). Die markscheiderischen Arbeit vor Ort würden sich auf den Tachymeterzug beschränken. Der Vorteil die Punktwolken im Nachgang zu benutzen wird darin gesehen, dass nicht sofort vor Ort die Situation interpretiert werden muss und es im ersten Schritt zu einer vollständigen Erfassung der Hohlräume in der Reichweite des Handscanners kommt. Die Interpretation der örtlichen Situation und die Digitalisierung der Stoßkanten ist der zweite Schritt und erfolgt im Anschluss im Innendienst. Hier kann die auswertende Person die Punktwolke aus den verschiedenen Perspektiven einer 3D-Software betrachten und seine Messungen vornehmen. Der zeitliche Aufenthalt vor Ort reduziert sich damit ebenfalls, was aus Gründen der Sicherheit außerdem von Bedeutung sein kann. Ob diese neue Arbeitsweise eine Alternative zum herkömmlichen Vorgehen sein kann, soll im Rahmen der Untersuchungen vom Praxispartner beurteilt werden.
Die Genauigkeit der Messmethode wurde bereits in Martienßen & Wandinger (2019) untersucht und kann für ein markscheiderisches Aufmaß als hinreichend angesehen werden, hält man sich an die in Martienßen & Wandinger (2019) formulierten Regeln der Messwerterfassung. Der Einsatz von Passpunkten wird in jedem Fall empfohlen, sollen Genauigkeiten im Zentimeterbereich erreicht werden.
Schriftenverzeichnis
Hößelbarth, D., Richter, O., Martin, C., Martienßen, T. & Wandinger, M. (2018): Erste Erfahrungen mit dem handgeführten Laserscanner ZEB-REVO bei Vermessungsarbeiten im Altbergbau am Südtiroler Schneeberg; Tagungsband 18. Altbergbau-Kolloquium 2018 (08.-10.11.2018), 221-234.
Martienßen, T. & Wandinger, M. (2019): Anwendung des handgeführten Laserscanners ZEB-REVO im Bergbau; Tagungsband 18. Oldenburger 3D Tage 2019 (06.-07.02.2019), 2-11.
Ostendorf, J., Henjes-Kunst, F., Seifert, T., & Gutzmer, J. (2019): Age and genesis of polymetallic veins in the Freiberg district, Erzgebirge, Germany: constraints from radiogenic isotopes. Mineralium Deposita, 54(2), 217-236.
Swinkels, L.J., Burisch, M., Rossberg, C.M., Oelze, M., Gutzmer, J. & Frenzel, M. (2021): Gold and silver deportment in sulfide ores – A case study of the Freiberg epithermal Ag-Pb-Zn district, Germany. Minerals Engineering (174).
Wagenbreth, O. (1960): Alexander von Humboldts Grubenfahrt auf „Neubeschert-Glück in der Stadt“ und die Geschichte dieser Freiberger Grube; Freiberger Forschungsheft D33; Akademie-Verlag, Berlin, 151-166.
Wagenbreth, O., & Wächtler, E. (Eds.). (2015): Der Freiberger Bergbau: Technische Denkmale und Geschichte. Springer-Verlag.
www.geoslam.com (2021), angerufen am 10.11.2021 unter https://geoslam.com/solutions/zeb-go.
juhu, endlich 🙂