Das Nördlinger Ries (Steinbruch Aumühle)

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Vor etwa 15 Millionen Jahren kollidierte ein über ein Kilometer großer Asteroid mit der Erde und schlug im heutigen Süddeutschland ein. Es entstand ein 25 Kilometer großer Krater, der noch heute erhalten ist: das Nördlinger Ries. Zwei 3D-Modelle laden zum Entdecken des Kraters ein: Erstens ein Modell des gesamten Kraters und zweitens ein zentimetergenaues Modell des Steinbruchs Aumühle, eines der spannendsten Geotope des Rieskraters.


Der Rieskrater ist einer der am besten erhaltenen und am besten untersuchten Impakt-Krater der Erde. Anfang der 1960er Jahre wurde nachgewiesen, dass der Krater durch den Einschlag eines Asteroiden entstand (Shoemaker & Chao, 1961) und nicht, wie vorher angenommen, durch einen Vulkan. Seit dieser Zeit wird intensiv an den Gesteinen im und um das Ries geforscht. Wissenschaftler und Studierende aus der ganzen Welt kommen wegen des Kraters und seiner Gesteine hierher.

Unweit des Rieskraters gibt es einen weiteren Meteoritenkrater: das Steinheimer Becken (Abb. 1). Dieses wird aufgrund seiner geringeren Größe von knapp vier Kilometer und seiner etwa zeitgleichen Entstehung mit dem Rieskrater auch als kleine Schwester des Rieskraters bezeichnet.

Der Rieskrater ist touristisch gut erschlossen. Auf Wander- und Radwegen, Geo-Lehrpfaden und in beschilderten Geotopen können Interessierte den Krater erkunden. In der historischen Altstadt von Nördlingen bietet das RiesKraterMuseum die Möglichkeit, mehr über die kosmische Katastrophe zu erfahren. Die Region ist ein Nationaler Geopark. 

Einschlag des Asteroiden

Der Ries-Asteroid schlug in den Bereich der fränkisch-schwäbischen Alb mit einer Geschwindigkeit von mindestens 70.000 km/h ein (u.a. Stöffler et al., 2013). Eine Druckwelle fegte orkanartig über die Alb, bis in hundert Kilometer Entfernung fing die Landschaft Feuer. Es entstand ein etwa 500 Meter tiefer Impakt-Krater mit einem Durchmesser von 25 km (Abb. 1) (u.a. Pohl et al., 1977). Unterhalb des Kraters jagte eine Schockwelle durchs Gestein, der Untergrund wurde kilometertief zertrümmert. Gesteinsmaterial wurde aus dem Krater herausgeschleudert und eine Decke aus Trümmermassen legte sich auf die umgebende Landschaft, die sogenannte Bunte Brekzie. Eine Mischung aus verdampftem und geschmolzenem Gestein und Asche stieg in einer Explosionswolke auf und fiel anschließend wieder auf die Erdoberfläche zurück. Die verfestigte Mischung bildete das Impaktgestein Suevit (abgeleitet vom lateinischen „Suevia“ für Schwaben).

Abbildung 1: Geländemodell des Rieskraters und Steinheimer Becken (links unten) mit der Verteilung der Auswurfmassen Bunte Brekzie und Suevit.

Durch die Hitze und Energie des herannahenden Asteroiden wurden die damaligen Oberflächen-Sedimente – die Sande der Oberen Süßwassermolasse (u.a. Graup et al., 1981) – auf der Albhochfläche geschmolzen und weggeschleudert. In bis zu 450 Kilometer Entfernung vom Nördlinger Ries kam ein Regen aus heißem Glas nieder (Engelhardt et al., 1987; Lange, 1996). Die entstandenen grünen Impaktgläser, die sogenannten Moldavite (siehe 3D-Modell), findet man heutzutage in Tschechien, Österreich und Deutschland.

Das katastrophale Ereignis von Einschlag und Kraterbildung dauerte vermutlich etwa zehn Minuten (Abb. 2), danach war alles Leben im Umkreis von 100 Kilometern ausgelöscht. Das Leben kehrte jedoch bald in die Region zurück: im Krater bildete sich ein See (u.a. Arp et al., 2013), an dem sich eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt ansiedelte. Der Kratersee verlandete nach etwa zwei Millionen Jahren durch den Eintrag von sandig-tonigen Sedimenten, die die Kraterstruktur schließlich komplett auffüllten. Während der Eiszeit wurde ein Teil der Sedimente wieder ausgeblasen, in der Kraterhohlform lagerte sich Löss ab. Heutzutage ist das Ries eine fruchtbare Landschaft und ein außergewöhnlicher Naturraum. 

Abbildung 2: Phasen der Kraterbildung, © Carvon Media, RiesKraterMuseum Nördlingen. a) Mit einer Geschwindigkeit von mehr als 20 km/s schlägt der Asteroid in die Erdoberfläche im heutigen Süddeutschland ein. Millisekunden vor dem Einschlag fegt eine Druckwelle über die Landschaft. b) Der Asteroid dringt in den Untergrund ein und kommt als hochkomprimierter, gasförmiger Körper zum Stillstand. Er explodiert, und schleudert verdampftes, geschmolzenes und zersplittertes Gestein aus. In der Zwischenzeit breitet sich im Krater unter der Erde eine Schockwelle mit etwa 70 000 km/h aus. c) Für eine kurze Zeit bildet sich ein instabiler Krater von etwa 15 km Breite und ca. 4,5 km Tiefe. Am Kraterrand lagern sich Auswurfmassen mit mehreren hundert Metern Dicke ab (Bunte Brekzie). Der Kraterboden beginnt sich nach oben zu bewegen. d) Die zentrale pilzförmige Wolke beginnt zu kollabieren. Ein glühend heißes Gemisch aus festen, flüssigen und gasförmigen Bestandteilen fällt zurück in den Krater und auf die Auswurfdecke (Suevit). Riesige Blöcke rutschen vom Kraterrand nach innen und vergrößern den Durchmesser des Kraters auf etwa 25 km.

Der Steinbruch Aumühle

Der Steinbruch Aumühle liegt im Nordosten des Rieskraters am äußeren Kraterrand und ist eines der interessantesten Geotope im Ries (Abb. 1). In dem Steinbruch wird aktiv abgebaut, weswegen für eine Besichtigung eine Genehmigung der Firma Märker nötig ist. Der Abbau führt außerdem dazu, dass sich das Erscheinungsbild des Geotops immer wieder verändert. Das 3D-Modell zeigt den Aufschluss im Zustand von August 2021.

Das Geotop zeigt auf einzigartige Weise die beiden typischen Gesteinsprodukte des Ries-Impaktes: unten die Bunte Brekzie, darüber der Suevit. Im Steinbruch wird das unregelmäßige Relief einer bizarren Trümmerlandschaft der Bunten Brekzie sichtbar, auf das sich der Suevit ablagerte (Hüttner &Schmidt-Kaler, 1999).

Die Bunte Brekzie besteht aus einem Gemenge, in das die an der Einschlagsstelle ursprünglich vorhandenen Gesteinen eingearbeitet sind. Dabei handelt es sich um Gneise und Granite des Grundgebirges, rote und braune sandig-tonige Sedimente und graue Kalke aus dem Jura und der Trias (u.a. Hüttner & Schmidt-Kaler, 1999). Die Größe der Partikel reicht von feinem Gesteinsstaub bis zu mehreren Metern großen Blöcken. In den Sedimenten der Bunten Brekzie kann man in der Aumühle Belemniten finden. Diese röhrenförmigen Fossilien sind durch die Energie des Impakts durch parallele Querbrüche zerlegt, manchmal aber trotzdem noch komplett erhalten. Ein besonders schönes und großes Exemplar gibt es hier als 3D-Modell zu sehen. 

Der Suevit besteht aus einer feinen grauen Grundmasse aus Gesteinsasche, größeren Gesteinsbrocken und den – liebevoll schwäbisch ausgedrückt – sogenannten „Flädle“. Mit letzterem sind keine Pfannkuchen gemeint, sondern dunkle Fladen aus Gesteinsglas, also ursprünglich geschmolzenen Gesteinsfetzen. Im Suevit fanden Forschende auch die ersten Nachweise dafür, dass es sich beim Rieskrater um einen Impakt-Krater handelt: Mikroskopisch kleine Minerale, darunter Coesit (Shoemaker & Chao, 1961), Stishovit (Chao & Littler, 1963), und Diamanten (u.a. Hough et al., 1995), die sich teilweise nur unter extrem hohem Druck, wie er durch „irdische“ geologische Prozesse an der Erdoberfläche unter natürlichen Umständen nicht verwirklicht werden kann. Im Steinbruch Aumühle ist eine weitere Besonderheit des Suevits zu sehen, sogenannte Entgasungsröhren. Die mehr oder weniger parallelen, oft gruppierten vertikalen Röhren entstanden, als sich der heiße Suevit auf der kühleren Bunten Brekzie ablagerte. Durch die Hitze wurden Fluide aus dem Gestein freigesetzt, die sich dann als Gase einen Weg durch den sich verfestigenden Suevit nach oben bahnten (u.a. Engelhardt, 1972).

Zugang zum Steinbruch nur nach vorheriger Anmeldung!

 Firma Märker Zement GmbH

Oskar-Märker-Straße 24

86655 Harburg

Tel. 09080 8278

Abbau von Suevit

Suevit wird als Baustein verwendet, da er leicht zu bearbeiten ist und gute Dämmeigenschaften besitzt. Die St. Georgskirche in Nördlingen wurde Ende des 15. Jahrhunderts aus Suevit erbaut. Die Gesamtmenge an Diamanten in der Bausubstanz der Kirche wird auf mehrere Kilogramm geschätzt. Die einzelnen Kristalle sind allerdings nicht größer als etwa 300 µm (Schmitt et al., 2005). Der Suevit aus der Aumühle wird zur Zementherstellung abgebaut.

3D-Modelle

Impressionen

Schriftenverzeichnis

Arp, G., Blumenberg, M., Hansen, B. T., Jung, D., Kolepka, C., Lenz, O., Nolte, N., Poschlod, K., Reimer, A., & Thiel, V. (2013): Chemical and ecological evolution of the Miocene Ries impact crater lake, Germany: A reinterpretation based on the Enkingen (SUBO 18) drill core. Bulletin, 125(7-8), 1125-1145.

Chao, E. C. T. & Littler, J. (1963): Additional evidence for the impact origin of the Ries basin, Bavaria, Germany. Geological Society of America Special Paper, 73, 127.

Engelhardt, W. V. (1972): Shock produced rock glasses from the Ries crater. Contributions to Mineralogy and Petrology, 36(4), 265-292.

Engelhardt, W. V., Luft, E., Arndt, J., Schock, H. & Weiskirchner, W. (1987): Origin of moldavites. – Geochimica et Cosmochimica Acta, 51(6), 1425-1443.

Graup, G., Horn, P., Köhler, H. & Müller-Sohnius, D. (1981): Source material for moldavites and bentonites. Naturwissenschaften, 68(12), 616-617.

Hough, R. M., Gilmour, I., Pillinger, C. T., Arden, J. W., Gilkess, K. W. R., Yuan, J. & Milledge, H. J. (1995): Diamond and silicon carbide in impact melt rock from the Ries impact crater. Nature, 378(6552), 41-44.

Hüttner, R. & Schmidt-Kaler, H. (1999): Die Geologische Karte des Rieses 1: 50 000 (2. überarbeitete Auflage). – Geologica Bavarica, 104, 7-76.

Lange, J. M. (1996): Tektite glasses from Lusatia (Lausitz), Germany. – Chemie der Erde – Geochemie, 56(4), 498-510.

Pohl, J., Stoeffler, D., Gall, H. V. & Ernstson, K. (1977): The Ries impact crater. In Impact and explosion cratering: Planetary and terrestrial implications 343-404.

Schmitt, R.T., Lapke, C., Lingemann, C.M., Siebenschock, M., and Stöffler, D. (2005): Distribution and origin of impact diamonds in the Ries crater, Germany, in Kenkmann, T., Hörz, F., and Deutsch, A., eds.: Large meteorite impacts III: Geological Society of America Special Paper 384, 299-314.

Shoemaker, E. M. & Chao, E. C. (1961): New evidence for the impact origin of the Ries Basin, Bavaria, Germany. – Journal of Geophysical Research, 66(10), 3371-3378.

Stöffler, D., Artemieva, N. A., Wünnemann, K., Reimold, W. U., Jacob, J., Hansen, B. K. & Summerson, I. A. (2013): Ries crater and suevite revisited—Observations and modeling Part I: Observations. Meteoritics & Planetary Science, 48(4), 515-589.

3 Replies to “Das Nördlinger Ries (Steinbruch Aumühle)”

  1. Beim Eingangsfoto zum Beitrag Nördlinger Ries handelt es sich nicht um den im Beitrag behandelten Steinbruch Aumühle, sondern um das „Erlebnis-Geotop Lindle“ südwestlich von Nördlingen. Bitte korrigieren!

    1. Die beiden Geotope sehen sich aus der Vogelperspektive durchaus recht ähnlich. Es handelt sich beim Titelbild dieses Beitrags allerdings definitiv um den Steinbruch Aumühle. In der Bildergallerie gibt es zusätzlich noch ein nicht näher gekennzeichnetes Foto des Steinbruchs Riegelberg. Das Geotop Lindle hat es leider nicht in diesen Beitrag geschafft.

  2. Mein Änderungswunsch vom 21.10.2023 bezog sich auf das Foto links neben dem Intro „Das Nördlinger Ries – Steinbruch Aumühle“ auf der Seite https://www.dggv.de/geologie-erleben/30-geotope-3d/. Es stellt nicht, wie zu erwarten wäre, den Steinbruch Aumühle dar. Vielmehr vermittelt es einen Blick vom südwestlichen Ries-Rand nach Nordosten auf den aufgelassenen Steinbruch Lindle (Geotop-Nummer: 779A033), jetzt „Erlebnis-Geotop Lindle“, und dahinter das Nördlinger Ries.

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