Die Korbacher Spalte

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Die Fossilfundstätte „Korbacher Spalte“ ist neben der UNESCO-Welterbe Stätte „Grube Messel“ bei Darmstadt das bedeutendste paläontologische Bodendenkmal Hessens und unser neues Geotop der 30 Geotope³-Serie. Die Funde der ältesten, fossilführenden Spaltenfüllung Europas markieren die evolutionäre Anfangsphase der Säugetier-Entwicklung im Erdzeitalter des Perm. Die Spalte im Kalkstein entstand vor ca. 255 Millionen Jahren im Oberperm (Zechstein) durch ein Erdbeben und wurde 1964 freigelegt.


Abbildung 1: Luftbild der Korbacher Spalte (HLNUG)

Entdeckungsgeschichte

Die Entdeckung der „Korbacher Spalte“ wurde durch den bis in die 1970er Jahre währenden Kalksteinabbau am südlichen Rand der Kreis- und Hansestadt Korbach (Landkreis Waldeck-Frankenberg) ermöglicht. In dem dortigen, jetzt stillgelegten Steinbruch „Fisseler“ fand der Landesgeologe Dr. Jens Kulick 1964 während der geologischen Landesaufnahme zur geologischen Karte GK25 Korbach im Profil der westlichen Steinbruchwand eine Spalte vor, deren Füllung aus tonigem Schluffstein zahlreiche fossile Knochenreste enthielt. Kulick beschrieb bis fünf Zentimeter große Knochen-Fragmente und stellte die Funde zeitlich zunächst ins eiszeitliche „Mittel- oder Altpleistozän“ (Kulick, 1968). Eines der Fundstücke, ein Unterkiefer-Fragment mit gut erhaltener Bezahnung, wurde im Institut für Geowissenschaften der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz mit Hilfe verbesserter Konservierungs- und Präparationstechnik eindeutig der oberpermischen Gattung Procynosuchus zugeordnet– einem Reptil, das bereits Säugetier-Merkmale aufweist und bis dato nur aus afrikanischen Fundstätten bekannt war (Sues & Boy, 1988). Zwischenzeitlich gefährdeten Bauschuttablagerungen die Korbacher Fundstätte. Daraufhin verkündete das hessische Umweltministerium im Juni 1991, dass das Hessische Landesamt für Bodenforschung (jetzt: Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie) ein „umfassendes Schutzkonzept“ erstellen werde. Weiter hieß es: Die Bedeutung der Korbacher Funde sei „ebenso groß wie die der Funde aus Messel und Solnhofen (Bayern)“. Die erste Forschungsgrabung in der Spalte fand unter der Leitung von Dr. Eberhard Frey (Naturkunde-Museum Karlsruhe) sowie Prof. Dr. Hans-Dieter Sues (Smithsonian Institution/ National Museum of Natural History in Washington/ USA) und mit technischer Unterstützung von Wolfgang Munk (Karlsruhe) sowie des örtlichen Spezialisten für Zechstein-Fossilien, Hartmut Kaufmann, im Juli 1991 statt. Finanziell unterstützt wurde die erste Grabung von der National Geographic Society (Washington). Laut Grabungsbericht wurden nach ersten Auswertungen mindestens sieben verschiedene Tetrapoden-Taxa nachgewiesen, von denen mindestens fünf für das Oberperm der nördlichen Hemisphäre bis dato unbekannt seien. „Diese Fauna schließt an die wichtigen Tetrapoden-Vergesellschaftungen des Oberperm als Teil der Karoo-Supergruppe im südlichen und östlichen Afrika an und verspricht daher hervorragende Korrelationsmöglichkeiten weltweit.“ 

Kurzbeschreibung und Bedeutung der Fundstätte

Abbildung 2: Skizze der Korbacher Spalte (HLNUG)

Die Felsspalte im aufgelassenen Kalksteinbruch an der Frankenberger Landstraße in Korbach (siehe auch Panek, 1994; 2012; Heggemann & Keller, 2003; Bökenschmidt, 2006) ist ca. 12 Meter tief und maximal 3,8 Meter breit im sogenannten Randkarbonat des ehemaligen Zechsteinmeeres aufgeschlossen. Der obere Teil der Spalte weist Verkarstungserscheinungen auf. Der tiefere Bereich ist mit gelblich bis violett gefärbtem Sediment verfüllt. Die Lagerungsverhältnisse im Steinbruch deuten darauf hin, dass die Spalte vor rund 255 Millionen Jahren durch ein tektonisches Ereignis (Erdbeben) entstanden ist und sich über eine Länge von mindestens einem Kilometer in westliche bzw. südöstliche Richtung fortsetzt. Durch den Gesteinsabbau wurde die Spalte im Querprofil an der westlichen Steinbruchwand fast komplett freigelegt. Somit ist allerdings nur ein Bruchteil der Spaltenfüllung aufgeschlossen. Untersuchungen haben ergeben, dass im Umfeld Korbachs weitere kleinere, fossilführende Spaltensysteme im „Randkarbonat“ vorhanden sind, die maßgeblich zur Deutung der Fundstätten-Genese und ihrer Datierung beigetragen haben (hierzu: Becker et al., 1999; Bökenschmidt et al., 1999; Zeeh et al., 2000). Eine im Juni 1999 durchgeführte Forschungsbohrung des Hessischen Landesamtes für Bodenforschung etwa 200 m westlich der „Korbacher Spalte“ wies in 35 m Tiefe direkt oberhalb des „Randkarbonats“ einen ca. 30 cm mächtigen Verwitterungshorizont aus gelblichen Sedimenten nach, der im Aussehen und der Zusammensetzung der Spaltenfüllung gleicht und der als Ablagerungshorizont der damaligen Landoberfläche beschrieben wird (Bökenschmidt et al., 1999; Bökenschmidt, 2006). Demnach sind die Spalte selbst als auch ihre Sedimentfüllung mit den darin enthaltenen Knochen-Fragmenten nach der ersten Rückzugsphase des Zechsteinmeeres, d. h. nach Abschluss der Randkarbonat-Sedimentation während der folgenden Landphase entstanden und haben demzufolge ein zechsteinzeitliches Alter zwischen 257,5 und 252,5 Millionen Jahren (Paul et al., 2016).

Der Fund eines Procynosuchus-Unterkiefers und somit der erste (und bisher einzige!) Nachweis dieser säugetierähnlichen Reptil-Gattung nördlich des Äquators belegen die herausragende, weltweite Bedeutung der Fossilienfundstätte (Sues & Boy 1988). Der Korbacher Fund korreliert mit weiteren Procynosuchus-Nachweisen in Südafrika (Beaufort-Gruppe), in Sambia (Madumabisa Mudstone-Formation), wo ein fast vollständig erhaltenes Skelett gefunden wurde, sowie in Tansania (Usili-Formation) und dokumentiert damit die weltweite Verbreitung dieser Reptil-Gattung in Teilregionen des damaligen weltumspannenden Superkontinents „Pangäa“. Bereits die erste Grabung (1991) bestätigte, dass die Korbacher Fauna aus einer Vielzahl von weiteren Tetrapoden-Formen zusammengesetzt ist, die evolutionsgeschichtlich verschiedene Entwicklungsstufen bzw. verschiedene Stammeslinien repräsentieren, die u. a. zu den heutigen Säugetieren, Krokodilen, Dinosauriern und Vögeln führen. Funde dieser Art waren zuvor in Europa nur vereinzelt und weit verstreut aus den Sedimenten des Kupferschiefers überliefert.

Im Rahmen des Kooperationsprojektes „Förderung der Erforschung und Fundverwaltung von Fossilmaterial aus der Korbacher Spalte“ zwischen der Kreisstadt Korbach mit Wolfgang-Bonhage-Museum, dem Nationalen Geopark GrenzWelten, der Stadt Kassel mit Naturkundemuseum Kassel, hessenARCHÄOLOGIE, dem Hessischen Landesamt für Umwelt und Geologie, dem Staatlichen Museum für Naturkunde Karlsruhe und der Senckenberg Gesellschaft für Naturkunde wurden 2011 – 2015 zahlreiche weitere Knochenfragmente von Tetrapoden gewonnen, die erstmalig für Deutschland beschrieben werden konnten (Witzmann et al., 2019).

Impressionen

3D-Modelle

Schriftenverzeichnis

Becker, F., Zeeh, St. & Heggemann, H. (1999): Isotopengeochemische Untersuchungen an Zechsteinkarbonaten der Fossillagerstätte Korbacher Spalte (NW-Hessen) als Beitrag zur Klärung ihrer Entstehung.- In: Hoppe, A. & Abel, H. (Hg.): Geotope – lesbare Archive der Erdgeschichte, Kurzfassungen der Vorträge und Poster zur 151. Hauptversammlung der Dt. Geol. Ges., Schriftenreihe Dt. Geol. Ges. 7:25; Hannover.

Bökenschmidt, S., Braun, A., Heggemann, H. & Zankl, H. (1999): Oberpermische Spaltensedimente bei Dorfitter südlich von Korbach und ihre Beziehungen zur Fossillagerstätte Korbacher Spalte, Geolog. Jb. Hessen 127: 19 – 31.

Bökenschmidt, S. (2006): Die Fossillagerstätte Korbacher Spalte – ihre Entstehung und Einordnung in den Zechstein Nord-Hessens, Dissertation am Institut f. Geologie u. Paläontologie/ Philipps-Universität Marburg/ http://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2007/0090/. 

Heggemann, H. & Keller, T. (2003): Die Korbacher Spalte – Eine einzigartige Fundstelle landlebender Saurier des späten Erdaltertums im Landkreis Waldeck-Frankenberg, Paläont. Denkmalpfl. Hessen 15, Wiesbaden.

Kulick, J. (1968): Erläuterungen zur Geologischen Karte von Hessen 1 : 25.00 Blatt Nr. 4719 Korbach, Hess. Landesamt f. Bodenforschung, Wiesbaden.

Panek, N. (1994): Wertvolle Fundstätte vor dem Verfall, Kosmos 9: 64 – 65.

Panek, N. (2012): Die „Korbacher Spalte“ – ein paläontologisches Welterbe im Zentrum des Nationaler Geoparks „GrenzWelten“, Jahrbuch Naturschutz in Hessen 14: 125 – 131. 

Sues, H.-D. & Boy, J. A. (1988): A procynosuchid cynodont from Central Europe, Nature 331: 523 – 524.

Paul, J., Heggemann, H., Dittrich, D., Hug-Diegel, N., Huckriede, H., Nitsch, E. & AG Zechstein der SKPT/DSK (2018): Erläuterungen zur Stratigraphischen Tabelle von Deutschland 2016: Die Zechstein-Gruppe [Comments to the Stratigraphic Chart of Germany 2016: the Zechstein Group] .– z. Dt. Ges. Geowiss. 169 (2) p. 139–145; Berlin.

Witzmann, F., Sues, H.-D., Kammerer, C. & Fröbisch, J. (2019): A new bystrowianid from the late Permian of Germany. First record of Permian chroniosuchian (Tetrapoda) outside Russia and China, Journal of Vertebrate Palaeontology/DOI: 10.1080/02724634.2019.1667366.  

Zeeh, S., Becker, F., Heggemann, H. (2000): Dedolomitization by meteoric fluids: The Korbach fissure of the Hessian Zechstein Basin (Germany).- Journal of Geochemical Exploration, 69-70:173-176; Amsterdam.

2 Replies to “Die Korbacher Spalte”

  1. klasse gemacht,
    könnt Ihr nicht auch so ein Video über den Michelnauer Steinbruch im Vogelsberg machen und dazu Kerstin Bär interviewen, die übrigen dort involvierten sind Laien

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